11. Gründungsbild
Deutung des Gründungsbildes aus 1598
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht die Übergabe der ehemaligen Klosterkirche an die Muttergottes Maria. Diese blickt, drei Kirschen (Symbole für Glückseligkeit) in der rechten Hand, ihren auf ihrem linken Fuße stehenden Sohn Jesus umfangend, auf zwei Ritter, die ihr eine romanische Kirche, von einem Engel mit großen goldenen Flügeln an der Turmspitze gehalten, entgegen strecken. Im Anschluss daran ist die Überreichung von Stab und Schlüsselbund an die erste Äbtissin Atha durch den in der Beschreibung genannten Markgrafen Otakar zu sehen. Hinter der Äbtissin stehen Nonnen, mehr als 12 sind angedeutet, von denen eine Nonne eine Waage (Symbol der Rechtssprechung) mit Fisch und Wild (Symbol von Besitzrechten) in Händen hat. Im Hintergrund stehen sich zwei Heerhaufen gegenüber. Ein Trupp in türkischen Gewändern im Kampf mit Landsern und Bauern unter christlicher Fahne sollen wohl den Sieg über die Heiden, die Awaren und/oder wie laut Saga, den Sieg über die Ungarn im Siegesbachtal 902 darstellen. Vor der Kampfszene stoßen zwei Ritter mit ihren Lanzen eine Statue, laut Saga ein Götzenbild an Stelle der späteren Nikolaikirche, vom Sockel. Vor den Hügeln im Hintergrund ist ein Gutshof, der vermutlich zur wirtschaftlichen Existenzsicherung des Klosters beigetragen hat, und eine Burganlage („Burgstein“) zu sehen. Der Text unterhalb des Bildes besagt, dass Leotold und Otokar den heidnischen Götzendienst besiegt und das Kloster ob des Sieges gegründet hätten. Es ist die Rede von einer 900-Jahr-Feier dieses Sieges über die Heiden.
1532 eine große 900-Jahr-Feier, ein verherrlichendes Gründungsbild, eine Kopie desselben im Jahre 1598?
Die Kirche war in der Feudalwirtschaft zum größten Grundbesitzer geworden und war verweltlicht. Kirchenpolitische Ereignisse, wie drei Päpste zu gleicher Zeit, sittliche Verwilderung, Priester in „Unzucht“ und verbotener Ehe, Kirchenfürsten in Harnisch, den Reichtum der Kirche verprassend, ein übergroßer Dombau zu Rom und andere Missstände erschütterten die Gläubigkeit der Menschen. Die alten Orden hatten ihr Ansehen eingebüßt, ebenso wie die neugegründeten. Es gab Streit mit der Weltgeistlichkeit um Pfarren und Einkünfte. Jahresgelder, Bestätigungsgebühren, Kreuzzugs- und ab 1479 Türkensteuern, Peterspfennig u.a.m. waren einzuheben und an die geistliche und weltliche Obrigkeit abzugeben. Dies brachte Klöster, die große Nachwuchssorgen hatten, in finanzielle Nöte. Innerkirchliche Reformbewegungen, wie Bettelorden, MystikerInnen konnten sozialrevolutionäre Bewegungen, Aberglauben, Ketzertum und vor allem die lutherische Lehre nicht aufhalten.
Versuch einer Interpretation
Klosterleben war im Niedergang. Die Nonnenschar hatte sich verringert, war auf einige wenige geschrumpft, die Einkünfte waren gefallen. Klosterleute versuchten zu retten, was zu retten war. Ihr Bestreben war, die Notwendigkeit und Bedeutung ihrer seit Jahrhunderten bestehenden Klöster hervorzuheben, indem sie versuchten, „die Zeit ihrer Gründung möglichst hoch in das Mittelalter hinaufzudrücken und die Stiftung durch ein fürstliches oder königliches Geschlecht geschehen zu lassen. Von diesem Bestreben waren auch die Nonnen von Traunkirchen nicht frei, und sie schmeichelten sich, einen Otakar aus jenem angesehenen Hause, welchem Markgrafen, Herzöge, ja Landesfürsten entstammten, als den Stifter des Klosters anzusehen.“ (Leo Kegele, 1898) Gesichert ist, dass die Verwandtschaft der steirischen Otakare tatsächlich großzügige WohltäterInnen und Vögte des Stiftes waren, da die erste Äbtissin Ata, Tochter eines Grafen Otakar und einer Tochter eines Lambacher Grafens, dadurch eine Schwester Otakars I. gewesen sein könnte.
Vermutungen
Nun hatte es zu allem Unglück 1527 wieder gebrannt. Die links im Vordergrund des Bildes auf einem Betschemel, den ihr Wappen ziert, kniende Äbtissin Barbara II Kirchpergerin (1530 – 1534) beauftragte dieses Gründungbild und lud zu einer 900-Jahr-Feier des Klosters im Jahre 1532. Dadurch könnte sie die Bedeutung des Klosters zur Erlangung der himmlischen Seligkeit einerseits, sowie die Bedeutung des Landesherren im Kampf gegen die Türken und Ketzer betont haben. Die Botschaft könnte gelautet haben: „Dieses schon seit dem Jahre 632 n. Chr. bestehende Kloster steht für Sieg über die Ungläubigen, für Sicherheit und Existenzsicherung, für freie Gerichtsbarkeit, für gute Werke und Glückseligkeit, für himmlische Seligkeit, unter dem Schutze der Madonna mit dem Jesuskinde“. Im Jargon des 21. Jhs. ausgedrückt, ein guter „marketing gag“, um die Motivation der „Investoren“ und SpenderInnen, wie Gläubigen nach dem großen Brand 1527 n. Chr. und der drohenden Türkengefahr zum Wiederaufbau zu steigern und so den Weiterbestand des Klosters zu sichern.
1598 war die Weiterbenützung des nonnenleeren Klosters sehr umstritten. Der Administrator Josef Pramer, ein Benediktiner, kämpfte um die Installierung eines Mönchsklosters in Traunkirchen. Er ließ daher eine Kopie des in der Zwischenzeit vergammelten Gründungsbildes im Jahre 1598, in dessen Mitte, gleich hinter den Gründern, er sich verewigen ließ, anfertigen. Auch die Jesuiten beriefen sich auf eine Gründungszeit des Klosters in früher Zeit, indem sie eine 1000-Jahr-Feier zelebrierten.
Das nicht mehr auffindbare Original entstand im Jahr 1532. Mit der Angabe von 900 Jahren wäre ein Gründungsjahr 632 anzunehmen. Dieses unwahrscheinliche Datum ist durch nichts belegt. Es ist als sicher anzunehmen, dass das Kloster Traunkirchen nicht 632 gegründet worden ist, sondern in Anbetracht der Nennung Ottocarus und Leopoldus, Markgrafen Austrias, als Gründer, sowie der ersten Äbtissin Atha, Tochter des Otokars, ist eine Gründung des neuen Nonnenstiftes zu Lebzeiten der Abgebildeten, also um 1020 anzusetzen.
Die Gründungsangabe vor 900 Jahren und die bildlichen Darstellungen können aber ein Hinweis auf kirchliche Bauten schon im 7. Jahrhundert sein, vielleicht eine Gedächtnisstätte, vielleicht eine Vorgängerin eines Kirchleins, auf dem Johannesberg auf Resten heidnischer Opferstätten, eventuell auf eine erste Pfarre, die im Zuge der ersten Christianisierung des Gebietes nordwestlich des Traunsees entstandene sein könnte.
© E. Rumpf, R. Hofbauer