Das Heilige Land - Palästina zur Zeit Jesu
Expedition Bibel
Jesus wirkt in den Ortschaften Galiläas rund um den See Gennesaret. Die Bilder für seine Botschaft vom Reich Gottes kommen aus seiner Lebenswelt: aus der Welt von Fischern, Bauern, Handwerkern, Frauen. Er selbst hat das Bauhandwerk erlernt.
Das Heilige Land ist uns so nahe und doch so fern. Es ist uns scheinbar vertraut, weil wir immer wieder bei den religiösen Feiern und in unserer Literatur Texte aus der Bibel hören oder lesen. Die verschiedenen Orts- und Ländernamen sind in unseren Köpfen. Doch wenn Frauen und Männer an biblischen Orten stehen, ergreift sie eine eigenartige Stimmung und sie können kaum glauben, dass sie das Heilige Land betreten haben. In Jerusalem „wohnen“ oder am See Gennesaret die Wellen des Wassers betrachten. So nah und doch so fern! In jeder Hinsicht ist eine große Vielfältigkeit vorhanden. Das Land der Bibel hat im Laufe der Zeit eine überaus wechselvolle Geschichte erlebt.
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Patriarchale Stammesführer (Abraham, Isaak, Jakob) ziehen mit ihren Großfamilien in das Land Kanaan ein und lassen sich für eine Zeit dort nieder. Am Beginn des 14. Jhs. v. Chr. werden diese Nomadenstämme in den ägyptischen Armanabriefen „Hapiru“ genannt. Um 1250 v. Chr. kehren die Hebräer aus Ägypten durch den Sinai wieder zurück und lassen sich im „verheißenen Land“ nieder. Die erste Erwähnung des Namens Israel findet sich auf einer Stele des ägyptischen Pharao Merneptah gegen Ende des 13. Jhs. v. Chr. Dort rühmt sich der Pharao, die Feinde ausgelöscht zu haben. Unter diesen wird auch Israel genannt, womit wohl eine nomadische Gruppe in Kanaan bezeichnet wird.
Ab 1200 v. Chr. werden die Stämme Israels von Richtern und Richterinnen geführt. Danach beginnt – auch durch äußeren Druck bedingt – die Königszeit mit Saul. David erobert die Jebusiterstadt Jerusalem (1004 v. Chr.) und eint das Land.
Nach König Salomo, der den Ersten Tempel bauen lässt, kommt es 926 v. Chr. zur Teilung des Landes. Die zehn Nordstämme bilden das Königreich Israel, die zwei Südstämme (Juda und Simeon) das Königreich Juda.
Das Nordreich wird (722 v. Chr.) erobert. Im Süden herrschen kurze Zeit die Ägypter (609 - 605 v. Chr.). In den Jahren 597 und 586 erobert die chaldäische Armee des Königs Nebukadnezzar Jerusalem und deportiert die Bevölkerung. Nach der Heimkehr aus der Babylonischen Gefangenschaft (538 v. Chr.) werden Jerusalem und der Tempel wieder aufgebaut. Das Land steht aber unter persischer Verwaltung. Alexander der Große kommt auf seinem Siegeszug 332 v. Chr. nach Jerusalem. Anschließend beherrschen die Ptolemäer das Land und um 200 v. Chr. die syrischen Seleukiden.
Nachdem 169 v. Chr. Antiochus IV. Epiphanes Jerusalem erobert, kommt es zu den Befreiungskämpfen der Makkabäer.
Ab 142 v. Chr. beginnt die Hasmonäerdynastie, in der das Volk seit langer Zeit wieder einmal unabhängig ist. Mit der Eroberung Jerusalems (63 v. Chr.) durch Pompeius beherrschen die Römer das Land.
Im Schnittpunkt der drei Kontinente (Arika – Asien – Europa) hat Heinrich Bünting (1545-1606) die Stadt Jerusalem als den „Nabel der Welt“ (Ez 38, 12) dargestellt. Tatsächlich ist Jerusalem die Heilige Stadt und hat für die drei monotheistischen Weltreligionen in historischer, politischer und vor allem in religiöser Hinsicht eine enorme Bedeutung. Auch wenn diese Stadt wie keine andere im Auf und Ab der Geschichte immer wieder zerstört und aufgebaut wurde und viele Bauten nicht mehr oder nur teilweise vorhanden sind, so sind die historischen Ereignisse dennoch lebendig geblieben. Die ältesten Siedlungsspuren sind chalkolithische Keramiken aus dem 4. Jahrtausend v. Chr. Im 18. Jh. v. Chr. wird die Gründung der Stadt auf dem Südosthügel angenommen (1 Kön 1, 33, 38, 45; 2 Chr 32, 20; 33, 14).
In den ägyptischen Ächtungstexten wird Jerusalem erstmals als befestigte Stadt erwähnt. Die Amarna-Korrespondenz (14. Jh.) berichtet über die schwindende Macht des jebusitischen Stadtstaates. Dennoch erzählt die Bibel (Jos 15, 63; Ri 1, 21), dass die Judäer die Jebusiter aus Jerusalem nicht vertreiben konnten.
Aber König David erobert um 1000 v. chr. die Stadt (2 Sam 5, 6-8). Unter diesem bedeutendsten König erhält Jerusalem einen raschen Aufschwung als religiöses und politisches Zentrum. Der Bau des Ersten Tempels unter König Salomo (1 Kön 6-7) festigt dies. Nach dem Zerfall in ein Nord- und ein Südreich (926 v. Chr.) bleibt Jerusalem für die Stämme Juda und Benjamin Reichsmetropole.
Nachdem Sanherib die Belagerung der Stadt 701 (2 Kön 18-19) aufgibt, entwickelt sich die Vorstellung von der Unzerstörbarkeit Zions und des Tempels. Joschija erklärt den Tempel um 620 zum einzigen Kultheiligtum (2 Kön 23).
609 v. Chr. gerät Jerusalem für kurze Zeit unter ägyptische und ab 597 unter babylonische Herrschaft (2 Kön 24, 10). 586 wird die Stadt endgültig erobert und der Tempel zerstört (2 Kön 25, 8-21).
Durch das Edikt vom Perserkönig Kyros (Esra 1, 2-4) wird nach dem Babylonischen Exil und der Rückkehr nach Jerusalem der Tempel wieder aufgebaut (520-515 v. Chr.). Die Stadt wird neu befestigt (Neh 2, 11-3, 32; 7, 1-3).
Nach Alexander dem Großen herrschen ab 302 bis ca. 200 v. Chr. die Ptolemäer in Jerusalem. Gegen die Hellenisierung und die Entweihung des Tempels durch den Seleukiden Antiochus IV. treten die Makkabäer entschieden auf. Es kommt zur Wiedereinweihung des Tempels und einer neuen Blüte. Die sogenannte „erste Mauer“ entsteht (Josephus, Bell. Jud. 5, 136, 142-145).
Herodes der Große (37-4 v. Chr.) entwickelt eine enorme Bautätigkeit und sichert die Stadt im Norden durch die sogenannte „zweite Mauer“.
Mit unvorstellbarem Aufwand lässt er die Tempelanlage prachtvoll ausbauen. „Wer Herodes Tempel nicht sah, hat nie ein schönes Bauwerk gesehen.“ (Josephus Flavius, Bada Bathra 4a)
Sein Enkel Agrippa I. (41-44 n. Chr.) errichtet die „dritte Mauer“ im Nordwesten, womit der Hügel Golgota innerhalb der Stadtmauern zu liegen kommt. Zur Zeit Jesu wohnen in Jerusalem schätzungsweise 80.000 Menschen.
Der Jüdische Krieg endet mit der Zerstörung Jerusalems und des Tempels durch Titus (70 n. Chr.). Damit geht das sichtbare religiös-kultische Zentrum der Juden verloren.
Hadrian versucht aus Jerusalem eine heidnische Stadt zu schaffen, was zum Zweiten Jüdischen Krieg (132-135 n. Chr.) führt und danach zur Namensänderung in Aelia Capitolina. Nachdem dieser von Bar Kochba angeführte Aufstand niedergeschlagen wurde, wird auf dem Tempelplatz ein Jupitertempel errichtet. Bis kurz vor 300 n. Chr. wird es den Juden verboten, in Aelia Capitolina zu wohnen. Und danach dürfen sie einmal pro Jahr an die Westmauer des Tempelplatzes zum Beten kommen. Im Laufe der fast fünftausendjährigen Geschichte der Stadt ist dieser bescheidene Hügel zum „Höchsten aller Berge“ geworden (Jes 2, 2-3) und auch in der heutigen religiösen sowie politischen Situation von immens wichtiger Bedeutung.
Weitere Namen: Salem, Zion, Davidstadt, Heilige Stadt, Goldene Stadt, Aelia Capitolina, Stadt Gottes
Namensdeutung: Stadt des Friedens; Stadt der Königin Salem
Geburtsdatum: 1004 v. Chr., oder im Jahre 2756 jüdischer Zeitrechnung durch David. Es gibt schon Siedlungen in chalkolithischer Zeit um 3500 v. Chr.
Eltern: Jebusiter
Einwohner: 583.700 (Sept. 1996) davon 413.700 (71 %) Juden aus ca. 80 verschiedenen Ländern, 170.000 (29 %) Nichtjuden, davon 18.000 Christen
Fläche gesamt: 12.300 ha
Lage: 31° 47‘ nördliche Breite, 35° 14‘ östliche Länge;
Höhenlage: 606-826 m (Zionsberg 770 m, Ölberg 809 m)
Aussehen: nur Jerusalemer Steine
Religiöse Orte: 1.072 Synagogen, 65 Kirchen und 72 Klöster, 60 Moscheen;
Gewicht: Nabel der Welt – Anziehungspunkt für fast die Hälfte der Weltbevölkerung. Erwähnt und besungen in Psalmen, vielen Texten und Liedern.
Entwicklungsphasen vor der Zeitenwende
4. Jt. Entstehen erste Siedlungen
1004 David erobert die Jebusiterstadt
950 Bau des „Ersten Tempels“
586 Nebukadnezzar II. zerstört den Tempel
538 Wiederaufbau des Brandopferaltars
515 Einweihung des Zweiten Tempels (Esra 6)
332 Alexander der Große erobert die Stadt
169 Antiochus IV. nimmt Jerusalem ein
63 Pompejus erobert Jerusalem (röm. Herrschaft bis 330 n. Chr.)
37-4 Herodes lässt sehr viel in Jerusalem bauen
Entwicklungsphasen nach der Zeitenwende
7. April/14. Nisan 30 Kreuzigung Jesu
70 Titus erobert die Stadt, Brand und Zerstörung des Tempels
135 Jerusalem wird zur Aelia Capitolina, Aufenthaltsverbot für die jüdische Bevölkerung
614 Die Perser zerstören unter Chosroes II. die Stadt
691 Bau des Felsendomes
705 Bau der El-Aqsa-Moschee
747/1033 Erdbeben
1099 Kreuzritter in Jerusalem – unter den Muslimen ein Massaker
1244 Der türkische Sultan Selim erobert Jerusalem
1267 Nachmanides gründet die erste Synagoge der Altstadt (Ramban-Synagoge)
1516 Ottomanische Besetzung der Stadt
1800 Jerusalem zählt 11.000 Einwohner, davon 1200 Juden
1917 Englische Truppen besetzen die Stadt
1922-1948 Britisches Mandat
1925 Eröffnung der ersten Hebräischen Universität in Jerusalem
1948 Proklamation des Staates Israel, Israelisch-arabischer Krieg, Jerusalem wird geteilt
1964 Papst Paul VI. besucht Jerusalem
1967 ganz Jerusalem unter israelischer Kontrolle
1980 Israel erklärt Jerusalem zu seiner Hauptstadt
2000 Papst Johannes Paul II. besucht Jerusalem und die Westmauer
Besonderheiten
Heiligtum dreier Weltreligionen.
Die Altstadt ist von einer ca. 12 m hohen und 4 km langen Ringmauer umgeben. Die heutige Form stammt von Sultan Suleiman dem Prächtigen aus 1537.
Allen drei monotheistischen Weltreligionen ist die Stadt Jerusalem heilig, obwohl diese zutiefst monotheistischen Religionen ihren Ursprung nicht in einer Stadt, sondern in der Wüste haben. Mose begebnet dem einen Gott im brennenden Dornbusch. Jesus wird nach seiner Taufe im Jordan vom Geist in die Wüste geführt. Der Prophet Mohammed erfährt seine ersten Visionen, als er eine Nacht in der Wüste verbringt. Dennoch streben alle drei Religionsgemeinschaften in die Stadt.
Jerusalem für Juden
Jerusalem ist als die Stadt Davids das Zeichen der Einheit und des Friedens für das Volk. Mit dem Tempelbau entwickelt sich aus der Davidstadt die Stadt Gottes, wo sich der Himmel und die Erde berühren. Mit der Zerstörung des salomonischen Tempels ist die Sehnsucht noch größer geworden: „Wenn ich dich je vergesse, Jerusalem, dann soll mir die rechte Hand verdorren“ (Ps 137, 5).
Der Bau des Zweiten Tempels und sein großartiger Ausbau durch Herodes den Großen gab dem Volk Einheit und Selbstbewusstsein. Seine Zerstörung durch Titus und die Vertreibung der Juden aus der Heiligen Stadt brachten einen unfassbaren Schmerz, der sich im Laufe der Geschichte in eine noch tiefere Sehnsucht nach Zion wandelte. So ist heute die Darstellung von der Wallfahrt der Völker nach Jerusalem auf dem Flughafen Ben Gurion mit Jer 31, 17 verbunden: „Es gibt eine Hoffnung für deine Nachkommen – Spruch des Herrn: Die Söhne werden zurückkehren in ihre Heimat.“ Aber das Land der Verheißung und die Stadt aller Sehnsüchte haben sich verändert.
„Freut euch mit Jerusalem“ Jubelt in der Stadt, alle, die ihr sie liebt. Seid fröhlich mit ihr, alle, die ihr über sie traurig wart. Denn so spricht der Herr: Seht her, wie eine Strom leite ich den Frieden zu ihr und den Reichtum der Völker wie einen rauschenden Bach. Ihre Kinder wird man auf den armen tragen und auf den Knien schaukeln. Wie eine Mutter ihren Sohn tröstet, so tröste ich euch; in Jerusalem findet ihr Trost.“ (Jes 66, 10. 12-13)
„Ich freute mich, als man mir sagte: ‚Zum Haus des Herrn wollen wir pilgern.‘ Schon stehen wir in deinen Toren, Jerusalem, Jerusalem, du starke Stadt, dicht gebaut und fest gefügt. Dorthin ziehen die Stämme hinaus, die Stämme des Herrn, wie es Israel geboten ist, den Namen des Herrn zu preisen. Denn dort stehen Throne bereit für das Gericht, die Throne des Hauses David. Erbittet für Jerusalem Frieden! Wer dich liebt, sei in dir geborgen. Friede wohne in deinen Mauern, in deinen Häusern Geborgenheit. Wegen meiner Brüder und Freunde will ich sagen: In dir sei Friede. Wegen des Hauses des Herrn, unseres Gottes, will ich dir Glück erflehen.“ (Ps 122 ist das Lied zur Wallfahrt nach Jerusalem.)
Eine alte jüdische Weisheit sagt: „Als Gott die Welt erschuf, legte er auf sie zehn Schmerzen, neun für Jerusalem und einen für den Rest der Welt. Gleichzeitig hinterließ er der Menschheit zehn Freuden, neuen für Jerusalem und eine für den Rest der Welt.“
Jerusalem für Christen
Der Weg Jesu hat in den Evangelien als Ziel die Stadt Jerusalem, auch wenn Mk fast immer die säkularisierte Namensform für sie verwendet oder viele Stellen die Unheiligkeit der Stadt betonen (z. B. Austreibung der Händler).
Der Einzug Jesu verleiht der Stadt ein besonderes Gewicht. Mit Tod und Auferstehung Jesu wird Jerusalem zur Heiligen Stadt der Christen. Alljährlich pilgern viele über den Ölberg und die Via Dolorosa nach Golgota, um in der Grabes- und Auferstehungskirche Gott für seine rettende Tat zu danken und selbst Kraft zu haben, als Auferstandene zu leben. So ist es auch nicht verwunderlich, dass seit dem Seher Johannes das Neue Jerusalem (Offb 21, 9-22, 5) Inbegriff aller Hoffnungen ist.
Jerusalem für Moslems
Nach der Überlieferung des Koran (17. Sure) hat der Prophet Mohammed in einer nächtlichen Himmelsreise seinen Fuß in die Heilige Stadt gesetzt, um vom heiligen Felsen aus in den Himmel aufzufahren. Viele Moslems verstehen dies als eine Aufforderung, eine Wallfahrt nach Jerusalem zu machen. Auch hat Mohammed in der ersten Zeit (nach seiner Flucht 622 n. Chr.) sein Gebet in Richtung Jerusalem verrichtet Nachdem aber die Juden seine Predigt nicht annahmen und er bei ihnen keine Unterstützung fand, änderte er seine Gebetsrichtung nach Mekka. Dennoch blieb Jerusalem nach Mekka und Medina die drittheiligste Stadt des Islam. Darum versammeln sich jeden Freitag, dem „Tag der Versammlung“, auch viele Tausende Moslems, um auf dem früheren Tempelberg in Jerusalem zu beten. Und über die Heilige Stadt hin ist immer wieder die Stimme des Muezzin auf dem Minarett zu hören, der zum Gebet ruft:
„Er ist Allah, außer dem es keinen Gott gibt.
Er kennt das Verborgene und das Sichtbare.
Er ist der Erbarmer, der Barmherzige.
Er ist der König, der Heilige, der Friedensstifter.
Er ist der Getreue, der Beschützer, der Mächtige, der Stärke.
Er ist erhaben über das, was sie ihm an anderen Göttern beigesellen.
Er ist Allah, der Schöpfer und Gestatter.
Sein sind die schönsten Namen.
Ihn preist alles, was in den Himmeln und auf Erden ist …“
(Hymnus am Ende der 59. Sure)
Tragik der Heiligen Stadt
„Der Flucht Jerusalems ist seine Heiligkeit. Und dieser Flucht lastet auch … auf den Menschen in dieser Stadt … Hier sind sie alle, ob sie’s nun wahrhaben wollen oder nicht, die Nachbarn Gottes …
Und da Gott sich persönlich nicht zeigen will, hält man sich halt an seine diversen Stellvertreter.“
(Herbert Eisenreich)
Das Wort selbst enthält nicht die „heiligen“ vier Buchstaben (Tetragramm) des Gottesnamens JHWH, sondern El (= Gott) und geht auf Gen 32, 29 zurück: „Da sprach der Mann: Nicht mehr Jakob wird man dich nennen, sondern Israel (Gottesstreiter); denn mit Gott und Menschen hast du gestritten und hast gewonnen.“ Und nach der Versöhnung mit seinem Bruder Esau erreichtet Jakob einen Altar und nennt ihn: „Gott, der Gott Israels“ (Gen 33, 20).
Auch Mose und Aaron berufen sich vor dem Pharao auf diesen Namen: „So spricht Jahwe, der Gott Israels: Lass mein Volk ziehen, damit sie mir in der Wüste ein Fest feiern können.“ (Ex 5, 1).
Der Name Israel wird verschieden gebraucht. Zum einen bezieht er sich auf eine Person, auf Jakob, der als Gottesstreiter bezeichnet wird (eine individuelle Verwendung des Namens besonders im Buch Gen) – wobei eine eindeutige etymologische Ableitung des Wortes Israel bis heute nicht möglich ist -, zum anderen bezeichnet der Name in vorexilischer Zeit eine größere Gruppe (auch schon in den Büchern Gen und besonders in Ex).
Vor dem Fall des Nordreiches (722 v. Chr.) wird der Name besonders für dieses nördliche Gebiet verwendet. In 2 Sam 5, 1-5 heißt es: „Alle Stämme Israels kamen zu David nach Hebron und sagten: Wir sind doch dein Fleisch und Bein. Schon früher, als noch Saul unser König war, bist du es gewesen, der Israel in den Kampf und wieder nach Hause geführt hat. Der Herr hat zu dir gesagt: Du sollst der Hirt meines Volkes Israel sein, du sollst Israels Fürst werden. Alle Ältesten Israels kamen zum König nach Hebron; der König David schloss mit ihnen in Hebron einen Vertrag vor dem Herrn, und sie salbten David zum König von Israel. David war dreißig Jahre alt, als er König wurde, und er regierte vierzig Jahre lang. In Hebron war er sieben Jahre und sechs Monate König von Juda, und in Jerusalem war er 33 Jahre König von ganz Israel und Juda.“
Daneben und vor allem nach dem Untergang des Nordreiches wurde der Name Israel auch auf das Südreich übertragen. „Er (Gott) wird das Heiligtun sein für die beiden Reiche Israels“ (Jes 8, 14a).
Nach der Babylonischen Gefangenschaft (538 v. Chr.) wird der Name auf die Heimkehrer übertragen (Jer 50, 17; Mal 1, 1) und bezeichnet die neu erstandene Kultgemeinde, wie David in 1 Chr 28, 8 sagt: „Und nun ermahne ich euch vor den Augen ganz Israels, der Versammlung des Herrn, und vor den Ohren unseres Gottes: Achtet auf alle Gebote des Herrn, eures Gottes, und befolgt sie, damit ihr im Besitz des prächtigen Landes bleibt und es für immer auf eure Söhne nach euch vererben könnt.“
Oder auch in Neh 13, 3: j“Als man dieses Gesetz gehört hatte, sonderte man aus Israel alle Mischvölker aus.“
In der Hasmonäerzeit (nach 142 v. Chr.) erhält der Begriff „Israel“ neben der historisch-religiösen Dimension auch wieder einen staatlich-politischen Aspekt. Bei den heidnisch-antiken Autoren findet sich nie die religiös gefärbte Bezeichnung Israel, sondern immer der Begriff Jude. In der Zeit des „Zweiten Tempels“ (ab 515 v. Chr.) beziehen manche jüdische Gruppen den Begriff im Sinne von „wahres Israel“ auf sich selbst. So versteht sich die Gruppe von Qumran in der Gemeinschaftsregel als „ein Haus der Vollkommenheit und Wahrheit in Israel“ (1QS 8, 9). Die Samaritaner verwenden den Begriff wieder für sich und gebrauchen ihn nicht für die Juden.
Im NT wird bei den Synoptikern das Wort „Israel“ in dem aus dem Alten Testament bekannten Sinne „Gottesvolk“ verwendet (z. B.: Mt 8, 10; 10, 6; 15, 31), doch im Johannesevangelium nur zwei Mal (hingegen spricht Johannes 70 Mal von „Juden).
Auch wenn Paulus sein jüdisches Volk gewinnen will, schreibt er von einem „ungehorsam gewordenen“ Israel (Röm 11, 25-32), was schon den Gedanken auf ein Israel dem Geiste nach ermöglicht (vgl. 2 Kor 3, 6-7; Röm 8, 1). „Das bedeutet: Was Israel erstrebt, hat nicht das ganze Volk, sondern nur der erwählte Rest erlangt; die übrigen wurden verstockt“ (Röm 11, 7). Noch klarer als bei Paulus wird der Begriff „(das Israel Gottes; Gal 6, 16)“ im Hebräerbrief (Hebr 8, 10) und in der Offenbarung (Offb 2, 9) auf das neue Gottesvolk in Abgrenzung zum jüdischen Volk verwendet.
Nach der biblischen Zeit gibt es eine vielfältige Entwicklung. Der Begriff „Israel“ wird im Laufe der Geschichte in Lehre und Liedern auf die Kirche übertragen Als das „Neue Israel“ sieht sich das „Neue Volk Gottes“, die Kirche.
Die tragische Verirrung, der „Erste Bund“ sei aufgehoben, spricht den Israeliten ihre Erwählung durch Gott ab. Erst ab 13. April 1986 hat der Papst Johannes Paul II. das Volk der Juden als den „großen Bruder“ bezeichnet, auch wenn auf politischer Ebene die Beziehung zwischen dem Vatikan und dem Staat Israel nicht unproblematisch ist.
Für unsere Zeit lässt sich sagen, dass neben der Verwendung des Begriffes „Israel“ im biblischen Sinne heute auch der weltliche Staat damit gemeint ist, dessen Bürgerinnen und Bürger aber nicht alle zu Israel im religiösen Sinn gehören (d. h. Juden sind).